Norwegen2013: Tag 4 – Von Mora bis Bodø

Manchmal passiert an einem Tag so viel, wie sonst im gesamten Urlaub. Auf einer Fahrt durch die Nacht kommt einem das zumindest so vor. Heute war es wieder soweit. Aber der Reihe nach. Nach einer extrem guten Nacht, wachten wir erst gegen 9 Uhr auf. Viel zu spät für all das, was wir uns noch vorgenommen hatten. Da der Campingplatz aber extrem ruhig war und die Mitmenschen morgens nicht lärmten, verschliefen wir großzügig.

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Campingplatz in Mora

Warum sich darüber ärgern, wir sind ja im Urlaub und das Tollste am heutigen Tag oder besser der Nacht: Es wird nicht dunkel werden! Denn vor Bodø werden wir den Polarkreis überqueren und die Sonne wird nicht untergehen. Nach einem ausgiebigen Frühstück packten  und ver- und entsorgten wir. Das war in den letzten Tagen nicht möglich gewesen. Zumindest hatten wir nirgendwo einen Stellplatz mit Entsorgung gefunden. Einmal fragten wir erfolglos an einer Tankstelle. Wasser hätten wir bekommen, aber wohin mit der Toilette? Eine Möglichkeit wäre eine der Rastplatz-Toiletten gewesen, aber da wir geplant auf einen Campingplatz gingen, konnte das warten. Und im Zweifel hätten wir eine Ersatz-Kassette dabei gehabt. 2013-07-13_11-01-05_Norwegen2013__MG_0276-1600 Der Campingplatz liegt, wie das gesamte Areal des Hotels und der angeschlossenen Freizeitaktivitäten, im Norden der Stadt an einem Seitenarm des Sees. Einige Wasserwege umfassen den Platz, so dass man rasch mit dem Boot ins Wasser kann. 2013-07-13_11-01-39_Norwegen2013__MG_0277-1600 Nach dem Auschecken wanderten wir die kurze Strecke zum Anders Zorn Museum. Anders Zorn ist der berühmteste Sohn der Stadt Mora. Seine Frau hat vor ihrem Tod bestimmt, das Wohnhaus unverändert zu belassen und alle Gemälde und Skulpturen in ein Museum zu wandeln, dass auch heute noch einen tollen Eindruck über die Lebensbedingungen der Oberklasse im 19ten Jahrhundert gibt. Der Park ist schon sehenswert, aber auch die Geschichte von Anders Zorn, der sich gegen alle Widerstände und Klassenunterschiede durchgesetzt hatte, um aufzusteigen und um seine Frau heiraten zu können. 2013-07-13_11-08-34_Norwegen2013__MG_0287-1600 Im Haus war das Fotografieren verboten, aber die Außeneindrücke sollten schon ausreichen, um zum Besuch einzuladen. 2013-07-13_11-08-49_Norwegen2013__MG_0288-1600 Grandios war der erste Stock. Der riesige Raum im Obergeschoss ist eine Augenweide und auch heute noch einladend eingerichtet. 2013-07-13_12-17-35_Norwegen2013__MG_0303-1600   Wir hätten bestimmt noch Tage in Mora verbringen können und das warme, sonnige Wetter lud zum verweilen ein, doch wird das für einen nächsten Urlaub aufgeschoben werden müssen, dieses Jahr müssen wir rasch weiter. Nachmittags fahren wir weiter und der Weg führt uns immer gen Norden. Je weiter wir kommen, desto einsamer wird es auf den nun schlechter werdenden Straßen. Oft sind wir kilometerlang alleine. Eigentlich hatte ich Kolonnen von Wohnmobilen erwartet. Entgegen kommend und in weiten Abständen einige Wohnmobilisten, aber überlaufen ist es hier wahrlich nicht. Sind anfänglich die Wälder noch mit hohen Kiefern oder Fichten bestückt, wechselt das Bild im Laufe des Tages. Die Fichten werden kleiner und immer mehr Birken mischen sich darunter. Wir kommen an mehreren gigantischen Baum-Lagerflächen vorbei, wo die Papierindustrie hunderttausende Bäume, wie Streichhölzer stapelt und zum Weitertransport  vorbereitet. Wie oft fragen wir uns, wenn wir an den wenigen Häusern oder kleinen Siedlungen vorbei kommen, wo die Menschen denn arbeiten, oder noch wichtiger: einkaufen. Die Mädels fragen nicht zu unrecht, wo die Kinder zur Schule gehen? Manchmal vergehen 30 oder 50 Kilometer, bis eine halbwegs große Ortschaft kommt, in der man eine Schule vermuten kann. Oder werden die Kinder hier ins Internat geschickt. Wir können die Frage nicht beantworten. Was uns aber auch in kleinen Städten begeistert, ist der Hang der Schweden zu großen, alten amerikanischen Straßenkreuzern. In Mora kamen im Sekundentakt perfekt aufgemotzte GMs und Chrysler an uns vorbei. Langsam flanieren die Besitzer mit ihren Wagen durch die Stadt. Aber auch in der Provinz trifft man auf die alten Schlitten:

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Kult in Schweden: Amerikanische Straßenkreuzer

Der Tag neigt sich langsam seinem Ende entgegen, die Sonne geht um 23 Uhr unter. Wir beobachten ein halbes dutzend Mal, wie die Sonne versinkt, aber nach der nächsten Steigung holen wir sie einfach noch einmal ein. Der Himmel brennt, als sich dann endlich verabschiedet: 2013-07-13_22-52-45_Norwegen2013__MG_0357-1600 Wir wechseln uns beim fahren mehrfach ab und so langsam wird es dunkel. Aber nie richtig. Einer schläft, der andere fährt. Als ich gegen 1.30 Uhr wieder an der Reihe bin, wird es langsam schon wieder heller. Wirklich dunkel war es nicht geworden, Lampen hätte man nicht unbedingt anschalten müssen. Sie dienen eher dazu, ein entgegen kommendes Auto besser zu sehen. Als uns einmal zwei Autos in 500 Meter Abstand hintereinander passieren, sprechen wir von Stau und als wir selbst einmal überholt werden, von abenteuerlicher Fahrweise dieser rücksichtslosen Gesellen. Schließlich war das schon das zweite Auto innerhalb einer halben Stunde! Svenja oder Inga übernehmen nun den Beifahrersitz und es tut gut, sich ab und an ein wenig zu unterhalten, dabei sind sie nicht nur für das leibliche Wohl des Fahrers zuständig, sondern sollen auch die Fahrbahnränder im Blick haben. Denn nicht vor den „vielen“ Autos habe ich Angst. Ein Elch plötzlich auf der Straße dürfte der größte Albtraum jeden Autofahrers sein. Wobei wir in drei Skandinavien-Urlauben nur ein einziges Mal eine Elchkuh und ihr Junges in einem Feld neben der Autobahn haben rennen sehen. Aus den Augenwinkeln und weit weg von der Straße. Je länger die Nacht dauert, desto öfter treffen wir auf Wild: Mehrere Füchse hetzen über die Straße, ein Hase schafft es in letzter Sekunde, eine Kröte leider nicht. Hoch im Norden sehe ich dann von weitem einen schwarzen Schatten auf der Straße und bremse kontinuirlich ab und sehr spät bewegt sich der Schatten und löst sich in eine Herde von Rentieren auf. Mit dabei ein paar sehr kleine Rentiere, das letzte läuft immer wieder vor uns auf die Straße und wird von seiner Mutter in die Seite gestupst, damit es nach links in den Wald ausweicht. Wir freuen uns über dieses Abenteuer und sind stolz, so aufmerksam gewesen zu sein. Die Rentiere sind markiert und vergleichbar mit frei laufenden Schafen. Hier in der Nähe des Polarkreises muss man immer damit rechnen, auf eine Herde zu treffen. 2013-07-14_01-56-02_Norwegen2013__MG_0407-1600   Vor zwanzig Jahren hatten wir eine ähnliche Begegnung fast an gleicher Stelle. Damals waren die Rentiere aber im Wald und wir dachten Elche gesehen zu haben. Mit dem Foto (noch auf Film!) machte ich ein paar Bilder und erst nach dem Entwickeln der Negative zuhause wurden wir des Fehlers bewusst: Kein Elch – nur Rentiere. Es hätte uns auffallen müssen, dass Elche nicht in einer Gruppe unterwegs sind.

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Der Bock gibt uns zu verstehen: Lasst bloß meine Herde in Frieden!

Woran erkennt man, dass man von Schweden nach Norwegen gewechselt ist? Ja, manchmal am Schild „Norge“, aber noch viel eher an der sich wechselnden Fahrbahnmarkierung: In Norwegen ist der Mittelstreifen gelb.

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Und noch einen Unterschied gibt es: Die Straßen werden bei gleicher Geschwindigkeitsbegrenzung schmaler! Daher fahren wir meist 5 – 10km/h unter der angegebenen Geschwindigkeit und das bewährt sich sehr gut.

Hatten wir im ersten Drittel überhaupt kein Problem mit dem Motor unseres Transits, kommt der Motorsystemfehler nun wieder häufiger. Wobei wir immer noch kein Muster erkennen. Manchmal sogar an langen ganz gering steigenden Strecken, an den denen die Last gar nicht groß gewesen sein kann. Unverständlich.

Am Ende der Fahrt probiere ich eine neue Strategie: bei Steigungen keinen konstanten Druck aufs Gaspedal, sondern immer ein wenig varieren. Minimal, damit es den Mitfahrern gar nicht auffällt. Und tatsächlich: der Fehler tritt nicht mehr auf. Vielleicht doch eine eingerostete Mechanik des Turbos und fehlerhafte Signale an die Motorsteuerung?

Gegen 2 Uhr geht dann die Sonne wieder auf, lugt hier und da mal über einen Bergrücken und strahlt die darüber hängenden Wolken rot an. Ein echtes Spektakel und mittlerweile ist auch keiner mehr müde, zu viele aufregende Bilder ziehen an uns vorbei.

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Gegen vier Uhr fahren wir einen steilen Pass hinunter, als nach einer Kurve wieder etwas dunkles auf der Straße auftaucht. Sekunden vorher war uns seit Stunden das erste Auto entgegen gekommen und nun:

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EEEEELLLLCH!

rufe ich, damit alle wach werden!

Die Elchkuh rennt die Straße hinunter und stapft unglaublich schnell einen steilen Hang hinauf. Und nach wenigen Metern ist sie im Wald kaum noch auszumachen.

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Wer meint, man könne einen Elch im Vorbeifahren im Wald entdecken, schaue sich mein Suchbild an: Wo ist der Elch?

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Aber freundlich, wie norwegische Elche nun einmal sind, wartet die Elchkuh einige Meter weiter auf uns. Ich kann in Ruhe die Scheibe herunterfahren und einige Bilder schießen. Gut, wenn der Foto griffbereit ist und die richtigen Voreinstellungen schon eingestellt sind.

Der Weg nach Bodø führt an der Küste entlang und es ist immer wieder  ein Genuss norwegische Ingenieurskunst zu bewundern.

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Und damit nicht genug, zeigt uns die Natur noch was sie alles kann: Ein Regenbogen begrüßt uns. Hoffentlich kein schlechtes Omen.

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Die 6 Uhr Fähre haben wir verpasst, also stellen wir uns in die Fährspur und legen uns schlafen.

Laut Plan fährt die nächste Fähre erst um 15 Uhr. Extrem müde, 1120 Kilometer gefahren, viel erlebt. Ein sehr, sehr langer Tag.

Gefahrene Kilometer 1120 – Dieselpreis Norwegen: 13,50 NKR

Zeitraffer von der Strecke:

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