Wir verlassen die Kleinstadt Albi mit wehmütigen Gefühlen. Selten haben wir uns in einer kleinen Stadt so heimisch gefühlt. Überall nette Winkel und schöne Geschäfte. Unendlich nette Menschen die sich auf der Straße mit uns (auf Deutsch) unterhalten hatten. Eine tolle Innenstadt mit Ladengeschäften, alte historische Gebäude, einen tollen Blick über den Fluss, mit den alten Brücken und der Altstadt.
Die unglaubliche Kathedrale und auch noch das Toulouse-Lautrec Museum.
Das alles würde für einen ganzen Urlaub reichen – wir wollen nur schnuppern, und das macht richtig Spaß.
In Albi fahren wir zuerst einmal von der Altstadt über die mächtigen Tarnbrücken in die Neustadt und versuchen einen Parkplatz zu finden, um uns zu Fuß den alten Gemäuern zu nähern.
Und der erste Eindruck macht schon mächtig Appetit auf die Altstadt: Zwei alte Bogenbrücken verbinden die Stadtteile und geben dem Panorama einen majestätischen Glanz. Später werden wir uns verfahren und auf der kleineren Brücke und den Gassen wiederfinden, glücklicherweise ist unser Wohnmobil nur 6 Meter lang und wir passen überall durch. Einzig unsere Höhe: mit den Kajaks haben wir dieses Jahr 3,60 Meter, macht uns immer wieder Kopfzerbrechen. Aber wir reißen keine Leitungen ab und bleiben an keinen Balkonen oder Schildern hängen.
In der Altstadt finden wir sogar Parkplatz auf dem normalen Parkplatz der Kathedrale. Ein längeres Wohnmobil hätte nur eine Chance am Parkplatz am Ufer der Tarn gehabt – der war jedoch von PKWs völlig zugestellt.
Der Vorteil unseres Parkplatzes ist, wie sind sofort in der Einkaufsmeile. Die netten Gassen und Läden laden zum bummeln ein und alte Häuser, und nette Gassen geben immer wieder tolle Fotomotive ab.
Wir nähern uns dem Ziel unseres heutigen Tages und stehen plötzlich auf dem zentralen Platz der Stadt mit seiner riesigen Backsteinkathedrale.
Ein Baumateriel dass in dieser Zeit für Kathredralen sicher ungewöhnlich war, dem alten Bau aber einen ganz besonderen Flair gibt.
Stolz steht der Kirchenbau da, trutzig. Wie eine Festung.
Und genau das wollten die Erbauer wohl auch erreichen: Eine Festung gegen die Katharer. Ein Mahnmal für die Überlebenden des Völkermords – wurden doch zehntausende Andersgläubige damals ermordet. Die Überlebenden sollten sich immer daran erinnern, dass die katholische Kirche, der einzig wahre Glaube sei, und sie jederzeit wieder niederschlagen könnte. Die Cathédrale Sainte-Cécile d’Albi wurde im 13ten Jahrhundert nach den Katharerfeldzügen gebaut.
Nicht ohne Grund steht dieses Wahrzeichen in Albi, nannte man die Katharer doch auch Albigenser.
Einiges hatte ich schon über die Katharer gelesen und vielleicht waren sie ja tatsächlich die erste großere Reformbewegung, die später im Protestantismus gipfelte, jedoch in dieser Zeit zum Untergang verurteilt.
Die Kirche ist dementsprechend ausgestaltet.
In tausenden Details findet sich große Handwerkskunst.
Das Innere der großen Kirche ist voll von überraschenden Details und mit viel handwerklichem Geschick ausgestaltet.
Richtig böse dann das jüngste Gericht an der Westwand. Eine Erinnerung an alle Albigenser und bestimmt hervorragend als Werbebotschaft für den Ablaßhandel zu benutzen. Die Details lassen erahnen, wie groß die Angst der Menschen vor der Gewalt in der Hölle gewesen sein muss. Noch heute benutzen die Folterknechte dieser Welt die gleichen Praktiken. Fürchterlich.
Wir lassen uns viel Zeit und machen uns mit der Denkweise der Menschen im Mittelalter vertraut. Auf der einen die Herrlichkeit – auf der anderen der Albtraum.
Die Baukunst ist auch heute noch zu bewundern. Viele Details und die Wandbemalungen sind sehr fortschrittlich, zeigen die hohe Kunst, die die Menschen schon damals beherrschten.
Eher witzig erscheint uns, was in heutiger Zeit mit diesen Symbolen der Macht passiert ist.
Man sollte erwarten, dass insbesondere der Bischoffsitz als Schaltzentrale der Macht und Druckmittel gegen die Andersgläubigen gedient haben muss. Ensprechend und ähnlich trutzig liegt das Haus einen Steinwurf von der Kathedrale entfernt, direkt über dem Fluss inmitten eines toll angelegten Gartens.
Dass ausgerechnet hier dem größten Sohn der Stadt ein Museum eingerichtet wurde, verwundert noch nicht. Erst wenn man weiß, dass Henri Toulouse-Lautrec sich vorwiegend in Hurenhäusern und dem Millieu in Paris aufgehalten hat und seine bekanntesten Bilder immer etwas mit dem anrüchigen Gewerben zu tun hat, erschließt sich einem der Witz: Da hängen Bilder aus den Hurenhäusern der 19ten Jahrhundertwende im Bischofspalast. Was für eine Pointe!
Viel länger sollte man in dieser schönen Stadt verweilen, es zieht uns jedoch weiter. Und wie das manchmal so ist: Es wird noch schöner!
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Eine Antwort
Ich habe Euren Bericht mit Spannung gelesen und auch wenn schon 11 Jahre dann vergangen sind, werden sich die Landschaften und die Städte nicht sehr verändert haben. Die angesprochenen Parkplätze und Abstellmöglichkeiten muß man sicher noch prüfen, aber der Bericht hat sehr viel Laune auf das Nachfahren gemacht. Wir sind zwar schon in der Opageneration (73) und deshalb kommen Klettern und Kajakfahren nicht so sehr in Frage, aber der Rest der Tour ist interessant. Ein Lob auch für die Beschreibung wo Ihr seid, so kann man die Route nachvollziehen.
Wir sind zwar in Kanada WoMo gefahren und wollen im Mai nächstes Jahr auch hier mal einen WoMo-Urlaub machen. Vielleicht habt Ihr noch Tips für uns, wir sind dankbar für jeden.