Die Angst geht um: kein freier Platz am Campingplatz

Angemerkt – unsere Meinung

Seit dem letzten Sommer habe ich das Gefühl, jeder zweite Thread in Facebook oder in Foren ging um das Thema: Campingplatzreservierung.
Und sehr, sehr häufig hieß es: Wenn du in den Süden nach Sowieso willst, dann musst du reservieren, sonst bekommst du nie etwas!

Im ersten Moment habe ich mir nichts dabei gedacht, denn das haben wir alte Hasen ja alle schon einmal erlebt: Man fährt munter drauf los und steht dann vor verschlossenen Türen:

AUSGEBUCHT

Nur in diesem Jahr waren auch die Blogs und Zeitungen übervoll davon. Und immer die Empfehlung: Unbedingt vorher buchen.

Und dann wurde entweder der ganz speziell empfohlene Campingplatz (der die meiste Reklame bezahlt) erwähnt oder ein Buchungsportal, a la Booking.com, Camping.info oder Pincamp.

Im Hotelbereich sind Buchungsportale schon lange Normalität, warum nicht beim Caravaning genauso verfahren.
So denken wohl nicht nur viele Neu-Camper, auch erfahrene Camper versucht man als Zielgruppe zu erreichen und zu binden und da helfen solche Artikel sicherlich.
Und jeder Businesskunde, der vielleicht beruflich sein Hotel schon über ähnliche Portale bucht, muss man nicht erst von der Onlinebuchung überzeugen.

Doch ist es wirklich so, dass man im Hochsommer keinen Platz mehr bekommt und unbedingt reservieren muss?
Für uns schließen sich da einige Fragen an:
Warum muss man plötzlich unbedingt über die neuen Online-Portale buchen?
Welchen Platz bekommt man dann eigentlich? Irgendeinen?
Und was passiert, wenn der Platz einem dann nicht gefällt? Früher ging man bei Ankunft über den Platz und schaute, ob dieser einem gefällt. Geht das heute gar nicht mehr?

Und vielleicht noch viel wichtiger:
Weshalb tauchen derzeit eigentlich so viele Artikel und Foreneinträge auf?
Sind diese vielleicht gekauft oder durch Influenzer gezielt gestreut? Das ist bei Hotelbewertungen schon oft vermutet worden. Nun also auch in der Campingbranche?

Panikmache, um noch mehr Reservierungen zu sichern?

Ich habe den Eindruck, die Portale wachsen und schieben sich zunehmend zwischen Campingplatzbetreiber und Endkunden.
Im Hotelbereich lief das ja ähnlich.

Haben früher Hotels und Pensionen ihr Kunden direkt erreichen müssen, ging das später über Reisebüros. Mit dem Internet gab es plötzlich viele Pinboards, und als das zunehmend unübersichtlich wurde, folgten spezielle Suchmaschinen.
Und über den Preis und die damit verbundene Preissuchmaschine konnten sich nun Portale einen Namen machen. Und spätestens mit der Möglichkeit das gleiche Hotelbett auf unterschiedlichen Portalen zu vergleichen und dann das günstigste zu buchen, kam der Durchbruch für die Onlinebuchung.

Nur gut für den Vermittler oder auch für die Camper?

Vielleicht sehe ich das auch völlig falsch, aber bei großen Hotels und Anlagen hat das sicher zu einer höheren Auslastung geführt und wahrscheinlich auch zu einem höheren Durchschnittsertrag.
Aber gerade die kleinen Pensionen und Hotels dürften hier gelitten haben.
Und da meine Mutter selbst einmal ein kleines Hotel betrieben hatte, erlaube ich mir da eine kritische Einstellung zu.

Mit dem Campingboom kommen die Heuschrecken

Immer, wenn es schnell, viel Geld zu verdienen gibt, sind die Finanzinvestoren mit dabei! Das ist an sich nichts schlechtes, denn Kapital ist wichtig, um den Motor am laufen zu halten. Und diese Finanzinvestoren haben extrem gute Verfahren, Prozesse zu straffen, zu optimieren, kostengünstiger zu werden.
Was natürlich zur Folge hat, das Arbeitsplätze auf der Strecke bleiben oder schlechter bezahlt werden, Zulieferer werden ausgetauscht oder es wird bei den Preisen gedrückt.

Und beim Boom der Campingbranche lassen sich noch viele Unternehmen optimieren, zusammenfassen und im Paket verkaufen.
Natürlich auch auf der Ebene der Campingplätze.
Doch sind diese oftmals kleinteilig und dezentral.
Daher muss ein neues Format her in das auch investiert werden kann.

Vor vielen Jahren gab es eine Handvoll Groß-Campingplätze in jedem Land, die schon damals eher mit großen Hotelanlagen und Resorts vergleichbar waren.
Mit Swimmingpool und Sauna, mit Wellness und Kinderclub, Jugendanimation, Schowprogramm und Fitnessabteilung.

Damals waren das Exoten.
Nadja und ich erinnern uns immer wieder an einen Platz in Kroatien in den 80ern. Damals kam uns das (heute eher langweilige) Programm völlig überzogen vor.
Einige Jahre später am Teutonengrill fanden wir dann von den großen bis zu den ganz kleinen Plätzen schon Animation und Kinderdisco.
Und als dies dann auch Ende der 90er auf größeren Plätzen in Deutschland, zumindest in den Boomwochen der Sommerferien, Einzug hielt, war uns klar, dass die beschaulichen Zeiten der Campingplätze, zumindest in der Hochsaison, vorbei waren.

Fieberbrunn

Seitdem gilt auch hier: Höher, weiter. schneller!
Der Kampf um die gut zahlenden Kunden wird mittlerweile in der Poollandschaft gewonnen oder der Anzahl der Restaurants auf dem Platz. Außerhalb der Sommerferien gibt es Angebote für Senioren mit (Enkel-)Kindern und allenthalben Events bis hin zu Konzerten oder Campingfestivals.

Der Laden muss schließlich auch außerhalb der Sommerferien gefüllt werden.
Und das ist nicht einfach!
Vielleicht ist auch der eine oder andere Campingplatz damit auch überfordert.

Buchungsportale als Booster für die großen Plätze?

Womit die Buchungsportale für die eh schon großen und bekannten Campingplätze eine wichtige Rolle spielen könnten.
Aber mit der Marktmacht der Portale dürfte die Gewinnmarge der Betreiber sinken.
So werden die großen Campingplätze noch besser ausgelastet, leisten sich noch mehr Luxus – können und müssen investieren.
Für den Konsument ganz sicher ein Gewinn. Zumindest für die, die einen Platz ergattert haben.

Die Kleinen bleiben auf der Strecke

Die kleinen Campingplätze werden nicht dagegenhalten können und die Kluft zwischen Klein und Groß dürfte in Zukunft größer werden.

Für die Camper, die einfach noch drauflos fahren, ist das eine Zeitenwende!
Und für die kleinen und kleinsten Plätze wird es zunehmend schwierig. Denn nicht jeder kann oder will die Aufrüstungsspirale mitgehen.
Und viele Genießer solcher Kleinode ist auch froh, wenn der Boom an seinem Platz vorbei geht.

Doch auch der kleine Platz braucht Gäste und wenn er nicht in den Portalen gelistet ist, kann es zukünftig schwierig werden.
Nicht in der Hauptsaison, aber jeder Betreiber braucht auch im Frühjahr, Herbst und am besten auch im Winter seine Kundschaft, um über das Jahr zu kommen.

Fluch oder Segen?

Ganz schwer zu sagen.
Natürlich gibt es gute Gründe auf einem der tollen Highend-Plätze seinen Urlaub zu verbringen und viele der Camper kennen schon gar nichts mehr anderes.

Wer aber die Herzlichkeit der Betreiber auf manchen kleinen Platz kennt, der wünscht sich, dass mehr Wohnmobile oder Caravans den Weg dorthin finden, um das Auskommen der Betreiber und ihrer Mitarbeiter zu sichern. Und das wird zunehmend schwerer, wenn die Portale in Zukunft die Urlaubsmassen lenken und sich eine ordentliche Scheibe an den Einkünften abschneiden.

Aber ganz pragmatisch kann man es auch so sehen:
Die Urlauberflut der Pauschaltouristen wird sich in Zukunft über die Portale auf die Großcampingplätze verteilen.
Die werden voll und voller und weiter reglementiert, wie wir es schon vor Jahren auf den vielen Campingplätzen in Lido di Jesolo erlebt haben.

Camper haben die Wahl!

Wer den Resortscharakter nicht braucht, der muss aktiv suchen.
Dafür findet er oft nette, kleinere Campingplätze mit Familienanschluss und viel Ruhe.
Einfach vorbeifahren, anschauen und vielleicht weiterfahren, wenn es nicht passt. Das ist die Freiheit der Camper! Das sollten wir nie vergessen!

Bleibt zu hoffen, dass die Buchungsportale nicht das Sterben kleiner Plätze befeuert und vielleicht genauso wichtig: Das in Zukunft nicht nur noch Großcampingplätze gebaut werden.
Denn eins ist sicher:

Der Boom der Campingbranche führt dazu, dass mehr Stellplätze und Campingplätze gebraucht werden

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8 Antworten

  1. Hallo Jürgen,

    wir kommen gerade aus Portugal. Vieles, was du beschreibst, verstehen wir auch nicht. Da fahren Leute mit dem Wohnmobil durch halb Europa um sich dann wochen oder sogar monatelang auf einem Stellplatz/Campingplatz nieder zu lassen. Wir wollten u.a. auch mal an den Strand von Falesia. Stellplatz rappelvoll, wie die Sardinen in der Büchse, davor warteten schon Aspiranten auf denjenigen, der eine schmale Lücke hinterläßt durch Verlassen des Platzes, der Platz nebenan genau so überbelegt. Wir sind weiter außerhalb der Hochburgen und haben größtenteils ganz alleine direkt am Strand gestanden. Algarve ist zwar schön, aber nicht mehr so wie ich sie vor über 40 Jahren kannte. Erst die Bunkerhotelhochburgen, jetzt leider auch dIe Wohnmobile, verschändeln viel….
    Westküste hoch, Costa Vicentina, da gibt es sogar alternative kleine Campingplätze, wo man familiär aufgenommen wird für nen Zehner incl. Ver-Entsorgung u. Strom und fast alleine ist. Sogar auf dem Parkplatz am Guincho kurz vor dem Cabo da Roca darf man offiziell mit dem Wohnmobil direkt auf den Klippen stehen, wir waren fast alleine dort.

    Der Herdentrieb setzt jetzt wohl auch bei den Wohnmobilisten ein. Schade…
    Gruß, Joachim

    1. Hört sich spannend an, Joachim.
      Wir sind ja auch die ‚…dann gucken wir mal woanders…‘ und sind sogar schon bei Freistellplätzen weiter gefahren, weil schon drei Wohnmobile dort standen.
      Aber gerade weil wir so unterschiedlich sind, bekommen du und ich immer wo einen tollen Platz.
      Und wer die extra Poollandschaft sucht, der muss halt buchen.

      Abgesehen davon darfst du mir diese Plätze in Portugal gerne einmal per Mail schreiben, wenn wir einmal nach Portugal kommen, habe ich dann schon etwas in Petto.
      Wobei Portugal erst nach Cornwall, Polen, Bretagne und der Ukraine dran sein wird 🙂
      Ach, wir müssten einfach mehr Zeit zum Reisen haben…

  2. Reservierungen kommen für uns nicht in frage. wie fahren wirklich einfach drauf los, ohne zu wissen wo wir übernachten werden. Klar ist dann das einen oder ander Voll gewesen( und ja das ist schon nervend) aber so manches Mal habe wir dann ganz in der Nähe was anderes gefunden, was uns dann sogar viel mehr zusagte wie das zuerst angefahrene. Wo wir hauptsächlich Stellplätze anfahren und dann auf kleinen gemütlichen Campingplätzen gelandet sind

    lg gabi

    1. Ja, Gabi,
      so ging es uns vor 20 Jahren in Italien auch. Der ach so tolle Platz war voll und eine Warteschlage wartete teilweise schon zwei (!) Tage drauf, dass jemand vorzeitig abreiste.
      Wir fanden dann einen kleinen Platz in der Nähe, bekamen einen Notplatz für eine Nacht und standen dann drei Wochen dort. Und sind mehrmals wieder dort hin. Viel, viel schöner, nur halb so voll. Und am Ende sogar günstiger.
      Aber die Zeiten ändern sich.

  3. Bei manchen CPs komme ich mir schon bei der Anfrage als Störenfried vor. Da heißt es: nutzen sie bitte nur unser Internet Formular! – Die Größe macht wohl auch betriebsorientiert und weniger kundenorientiert. Manchen Regionen geht es wohl zu gut, mal sehen wie das in ein paar Jahren aussieht. – Wir selbst machen keine Platzbuchung, ohne zu wissen welchen Platz wir bekommen. Sollte ein Gespräch nicht möglich sein, geht es zu anderen Zielen.

    1. Harald, ich habe sogar den Eindruck, dass es einen Unterschied macht, ob Nadja oder ob ich beim Campingplatz anrufe.
      Und dann kommst du wieder an einen Platz, wo du das Gefühlt hast: Die freuen sich auf dich!

  4. Manchmal wäre so eine Buchungsplattform schon gut. Gerade am ende einer grossen Etappe währe ein sicherer Platz toll. Aber es geht auch ohne. Wir fahren immer ohne Buchung, werden dann aber im Bekanntenkreis als „mutig“ angeschaut. Bis jetzt haben wir immer ein Platz gefunden. Wir merken aber, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird während der Hauptsaison einen Platz zu finden. Ein spontaner Ausflug an den Feiertagswochenenden wie Pfingsten oder so, ist bei uns in der Schweiz oder angrenzenden Ausland (Elsass, Schwarzwald oder gar Norditalien) fast ein Ding der Unmöglichkeit. An diesen Daten sind die Campings einfach ausgebucht.

  5. Hallo ,

    es ist unterschiedlich bei uns. Wenn wir ne Männer Tour machen reseverieren wir nie . Und konnten bisher immer einen Platz finden. Wenn wir mit der Familie unterwegs sind , brauchen wir nicht unbedingt den Nevernkitzel und reservieren meistens telefonisch . Naja und was soll ich sagen eien freundliche Damen Stimme bekommt immer den besten Platz;-)

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