Sehr spontan sind wir von Kroatien nach Venedig gefahren. Das letzte Mal waren wir im Sommer vor 15 Jahren in Venedig und dachten, im Oktober ist es sicher leer und wir können einmal in Ruhe und ohne Hektik alles betrachten. Von wegen!
Zudem wollte ich noch einmal mit dem Kajak nach Venedig paddeln. Auch das war vor 15 Jahren ein Vergnügen. Dachte ich. Aber im Alter neigt man offenbar zu Verklärungen.
So ist es wirklich im Oktober:
In Punta Sabbioni steuern wir zuerst einmal den schönen, familiären Stellplatz Parking „Dante Aligheri“ an. Mit 20 Euro die Nacht steht man nicht nur sicher und spart sich zusätzliche Parkgebühren, der Platz bietet zudem Ver- und Entsorgung, ein anständiges Toilettenhaus, sogar mit Waschmaschine.
Einzig der Krach der Schiffe und Autos, auch während der Nacht, trübt das Vergnügen. Aber nach einem anstrengenden Tag in Venedig schlafen wir trotzdem gut.
Am frühen Morgen starte ich am Hafen mit dem Kajak in Richtung Venedig. Die Lagune ist durchzogen von ausgebaggerten Wasserstraßen, die echte Lagune ist manchmal nur wenige Zentimeter tief. Bei Ebbe sitzt man schnell auf dem Boden.
Bei Flut schaffe ich es trotzdem immer wieder, mit den Paddeln in den Boden zu stechen – so flach ist es.
Erst am Fort vor Venedig wird es tief und anstrengend. Die vielen kleinen Boote und Schiffe wirbeln ordentlich Wellen auf, die aus allen Richtungen kommen. Bis zum Markusplatz sind es gut 6-8 km. Ein- bis eineinhalb Stunden benötigt man, wenn man gemütlich paddelt.
Am Markusplatz dann die erste Überraschung: Es ist 10 Uhr und der Platz ist schon voll mit Menschen. Die Gondeln legen im Sekundentakt an und ab und auch in den kleinen Kanälen stauen sich die Gondeln. Im Schritttempo geht es nur vorwärts.
Auch das war vor 15 Jahren anders. Die Begründung ist einfach: Vor 15 Jahren fuhren u. E. weniger Menschen mit den Gondeln, denn man musste die Preise frei verhandeln. Mal kostete es wenig, mal viel. Und viele Besucher wollten erst gar nicht in das Feilschen einsteigen.
Heute gibt es einen Festpreis von 80 Euro pro Gondel und so sind viel mehr Besucher bereit, eine Runde mit den berühmten Booten zu drehen.
Zwar ist die Anzahl der Gondeln festgelegt und seit Jahren gleich, aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Gondoliere viel häufiger ihre Runden drehen!
Mit dem eigenen Kajak auf den Kanälen zu gondeln ist deswegen nicht ganz so lustig, wie es sich anhört und wie ich es vom letzten Mal in Erinnerung hatte!
Zwar kommt man in Kanäle, die Touristen sonst nicht sehen, kann Bauarbeiten vom Schiff aus beobachten oder erlebt live die Versorgung der Geschäfte und Läden vom Wasser aus.
Aber am Ende ist man den Profis immer im Weg. Ob den Wassertaxis oder den Busbooten. Überall hatte ich das Gefühl, fehl am Platze zu sein.
So begnügte ich mich mit einer Tour durch die Kanäle und unter der Rialto Brücke, um mich dann mit Nadja zu einem Wein am Platz „Corte dei conti „zu treffen.
Wenn man bedenkt, wie aufwendig die Versorgung von hunderttausenden Touristen nur über Wasserwege ist, kommen uns die Preise für unseren Wein und Prosecco plötzlich gar nicht mehr so teuer vor. Überall sehen wir Transportboote und Handwagen, die Kisten, Flaschen, Lasten zu den Restaurants karren. Viel Handarbeit und alles geht langsam. Als uns ein knallgelbes DHL Boot entgegen kommt, wird uns klar, dass die gesamte Versorgung der Stadt völlig anders läuft als in normalen Städten.
Am Nachmittag geht Nadja durch die vielen kleinen Gassen shoppen und ich nutze die Zeit für eine weitere Runde: Markusplatz – Seufzerbrücke – Arsenal
Dann reicht es. Die Arme sind schon lang und die 8 km Heimweg wollen auch noch gepaddelt werden. Nadja hat es einfach, sie steigt in eins der großen Schiffe zurück nach Punta Sabbioni. Mit einem Tagesticket kann man übrigens in Venedig auch die Busboote nutzen und so ein wenig Pause einbauen: Einfach einmal um die ganze Stadt fahren – Sitzplatz inklusive. An Land findet man selten Gelegenheit sich in den Massen zu entspannen.
Mir fällt der Rückweg schwerer: Ich hatte vergessen, mich nach den Zeiten für die Ebbe zu erkundigen. Bei Ebbe kann man nicht den direkten Weg zurück durch die brach liegende Lagune nehmen, sondern muss den ausgebaggerten Schiffswegen folgen. Zudem zieht das Meerwasser in einem starken Strom aus der Lagune. Und spätestens an der Ausfahrt der Lagune wird die Strömung so stark, dass ich das Gefühl habe, aus der Lagune in die offene See gezogen zu werden.
Da war der Spaß plötzlich vorbei.
Mit viel Erfahrung gehe ich jedem Risiko aus dem Weg und bleibe so lang wie möglich in der Lagune und quere erst spät nach Punta Sabbioni.
Am Abend gehen wir noch schön essen. Das Restaurant La Rondine in Punta Sabbioni können wir empfehlen.
Was haben wir heute in Sachen Kajak fahren gelernt:
Im Alter neigt man zur Verklärung: mit dem Kajak nach Venedig ist nicht halb so schön, wie es verklärte Erinnerung suggeriert. Ja, auch vor 15 Jahren waren am Markusplatz gewaltige Kreuzseen und man musste ständig auf die schnell fahrenden Boote achten.
Noch dazu kommt man nirgendwo an Land, kann das Boot anlegen und sich die Stadt anschauen. Insgesamt ist es eine blöde Idee und ich werde es sicher nicht noch einmal machen!
Und als Wohnmobilfahrer:
Im Oktober ist Venedig genauso voll wie im Hochsommer. Nur im November und März gibt es ein paar Tage, an denen weniger los sein soll (sagt unsere Stellplatzwirtin)
Venedig ist wunderschön – ohne Touristen!
Und davon gibt es einfach zu viele.
Ich habe als Bub vor 40 Jahren einmal eine Woche in Venedig gewohnt und zumindest abends und morgens war Venedig leer – nicht einmal das ist heute noch gegeben! Die Stadt ist zu voll und zu laut – und das offenbar zu jeder Jahreszeit.
Ich befürchte, dass wir Venedig nur noch in unserer Erinnerung besuchen werden.