Weserbergwald: Der Reinhardswald, Saba-Tierpark und eine Nacht im Urwald

Manchmal glaubt man ja nicht, mitten in Deutschland zu sein. So vielfältig und unterschiedlich ist es doch in Deutschland. Und neben Großstädten und Metropolen, gibt es sie halt immer noch: die stillen Orte. Mit wenig Menschen und viel Ruhe.

Einer ist sicherlich der Reinhardswald. 
Die Sage erzählt, das Reinhard seine Ländereien an den Bischoff verspielt hatte und der Bischoff ihm noch eine letzte Ernte gewährte: So sähte der listige Reinhard Eicheln und konnte so noch lange Zeit auf seinem Land leben und auf die Ernte warten.

Fakt ist, man sieht die jahrhundertealte Pflege und Hege das Waldes. Dieser Landstrich wird seit langer Zeit bewirtschaftet und jeder Baum sicher geplanzt. Auch heute finden wir schnurgerade gesetzte Eichen, die komplexe Muster im Wald bilden.

Gibt es etwas schöneres, als im Wald spazieren zu gehen. Wir genießen den Geruch, allenthalben wachsen Pilze, die Sonne schickt Strahlen durch das spärlicher werdende grüne Dach.

Mitten im Waldgebiet kommen wir zum Tierpark Sababurg. Wenn man bedenkt, dass schon 1571 der Wunsch bestand, einen Tierpark zu errichten – und man das gigantische Areal von oben, von der Sababurg gesehen hat, dann kann man sich vorstellen, dass in früheren Jahrhunderten der Tierpark zur Belustigung des Adels diente.
Und Belustigung bedeutete nicht nur „wilde“ Tiere aus der Nähe im Käfig zu betrachten, sondern viel öfters Jagd auf sie zu machen.
So muss man sich das Areal als Spielplatz der Superreichen ihrer Zeit vorstellen.
Irgendwann war diese Episode vorbei und wir haben heutzutage das Glück, dass das der Landkreis, als Träger, die Bedeutung erkannt hat und neben den historischen Gemäuern ein modernes Tierparkkonzept umgesetzt hat.
Wenn man Zeit mitbringt und nicht gerade mit den Massen zur Mittagsszeit an einem Wochenende oder Feiertag durch den Park schiebt, bekommt man Gelegenheit, viele Tiere aus der Nähe zu beobachten.
In ihren weitläufigen Gehegen muss man manchmal schon suchen und Geduld mitbringen, um Elch, Wolf oder Otter zu sehen.

Wir haben mehrfach Glück: Die Otter paaren sich direkt vor unserer Nase und spielen stundenlang in unserer Nähe. So possierlich, dass wir gar nicht weiter wollen.

Am Elchgehege erwartet uns ein Spektakel, denn offenbar gibt es Rangkämpfe und die Bullen stöbern die Weibchen auf und lassen sich von den gaffenden Beobachtern nicht stören. So nah waren wir ausgewachsenen Elchen noch nie.

Und die Wölfe tun, was Wölfe meistens tun: Sich gut verstecken und tarnen. Aber sie sind da und wir spüren förmlich ihre Blicke. Irgendwann taucht einmal ein Tier auf, aber meist nur schemenhaft zwischen den Bäumen.

So nah, wie im schwedischen Tierpark in Orsa kommen wir den Wölfen diesmal leider nicht.

Orsa Raubtierpark

Überall im Park gibt es gute Möglichkeiten für ein Picknick oder einen Kaffee. Sich Zeit nehmen. Ruhe finden, die Natur und die Tiere beobachten oder einfach in den blauen Himmel schauen. Dazu laufen wir an diesem Tag etliche Kilometer ohne es zu bemerken.

Richtig lustig wird es am Ende unseres Rundwegs in der Voliere der Wellensittiche. Die bunten Flieger zupfen den Kindern die mitgebrachten Körner von den Fingern und da die Sonne durch die Blätter scheint, zeigen sich die Vögel in einer wahren Farbenpracht. Keiner sieht gleich aus. Es flattert und piepst um uns herum und wir bleiben gerne länger. 
Inga ist ja gerade in Australien und daher amüsiert es uns, dass wir plötzlich Känguruhs gegenüberstehen. Noch dazu darf man in ihr Gehege und so kommt man sehr nach an die Beuteltiere heran.

Gegen Abend fahren wir weiter und kommen nach wenigen Kilometern zu einem Schild „Urwald“

Da es schon dunkelt und in direkter Nähe ein Wanderparkplatz ist, entschließen wir spontan im Wald zu bleiben.

Je dunkler es wird, desto weniger Autos fahren auf der nahe gelegenen Straße und irgendwann sind wir ganz allein.
Der Wald ist stockdunkel!
So unglaublich dunkel. Kein Licht einer Stadt am Horizont scheint bis zu uns. Und da auch der Mond noch nicht aufgegangen ist, haben wir schnell das Gefühl ganz allein auf der Welt zu sein!
Unheimlich?
Neeeein.
Zumindest bis es im Wald hinter uns plötzlich knackt und knistert.
Schnell sind wir dann doch im Wohnmobil.

In der Nacht gehe ich dann doch noch einmal hinaus und die Sterne leuchten in einer selten gesehenen Klarheit auf uns herab.
Ganz friedlich ist es im Urwald Sababurg. Trotz der Dunkelheit fühlen wir uns wohl. Irgendwie heimelig.
Bis plötzlich ein Wolf heult.
Mir zieht ein Schauer über den Rücken, die Nackenhaare stellen sich auf, eine Gänsehaut erreicht meine Arme.
Weitere Wölfe fallen in das Geheul ein. Völlig irritiert schaue ich mich um. Irgendwann fällt mir ein: Das müssen die Wölfe vom Tierpark sein. Obwohl das Gehege kilometerweit entfernt sein muss, hört sich das Geheul an, als seien die Tiere kurz hinter unserem Parkplatz im Wald. Die Wirkung der Dunkelheit und das Heulen von Wölfen ist sensationell – muss wohl seit Urzeiten in uns Menschen stecken. Denn ich kann – trotz allem rationalen Denkens – die Urangst nicht zurückdrängen. Sie sind in einem Gehege! Sage ich und verschwinde trotzdem im Wohnmobil.
Kuschelig und warm und ungestört schalfen wir in dieser Nacht. Die Wölfe haben früh Feierabend gemacht und uns nicht geweckt.

Am nächsten Morgen wandern wir dann in den Urwald Sababurg!

Und ja, allein dieser Wald ist eine Reise wert.
Uralte Baumriesen, manchmal schon verfallen, warten auf uns kurzlebige Bewunderer. Einige hundert Jahre sind diese Bäume alt. Ein paar Eichen sogar 1000 Jahre.
Was diese Bäume schon alles erlebt haben? Kaiser Otto, Karl der Große, das gar nicht so finstere Mittelalter, die Industrialisierung, zwei Weltkriege. Freud und Leid.

Viel Zeit mitbringen – es lohnt sich.
Einfach mal die Hand auf einen der Riesen legen und das Leben spüren. Und sei er noch so kaputt – an den Ästen wachsen immer noch Blätter. Und werden es vielleicht auch noch hundert Jahre lang tun.
Und sollte ein Baum tot am Boden liegen, dient er doch tausenden von Käfern, Würmen, Pilzen und Flechten als Lebensraum.

Wir überlegen eine weitere Nacht im Wald zu verbringen, Wasser, Strom und Gas reichen auf jeden Fall aus.
In der Nähe des Friedwaldes finden wir wieder einen schönen, ruhigen Übernachtungsplatz.


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