Die Waldtalbahn – Viseu des Sus
Man muss kein Eisenbahnfan sein, um die alten Lokomotiven zu lieben, die in Viseu des Sus noch immer in den Wald fahren.
Vordringlich für die Touristen, ursprünglich für die Waldarbeiter und den Transport der Stämme aus den tiefen Wäldern.
Heute ist es ein Vergnügen. Früh am Morgen stehe ich am Kartenschalter an. Ausverkauft sollen die ersten drei Züge sein. Aber auf dem Zug um elf Uhr sollen noch ein paar Plätze frei sein.
Die Öffnungszeit steht groß an der Tür und sogar ein Security steht zur angegebenen Zeit vor der Tür. Die Schlange hinter mir wird länger. Aber von den Angestellten fehlt jede Spur.
Nach 15 Minuten tauchen Menschen im Büro auf. Aber es dauert noch einmal 10 Minuten, bis die ersten Touristen ins Büro eintreten dürfen. Völlig normal in Rumänien, meint ein Mann hinter mir. „20-30 Minuten zu spät ist doch völlig in Ordnung.“
Erstaunlicherweise bekommen wir sofort Karten für den ersten Zug. Ich buche gleich das Mittagessen hinzu: einmal normal und einmal vegetarisch. Kein Problem.
Das ganze kostet rund 25 Euro pro Person. Insgesamt. Also Zugfahrt und Essen!
Der Zug wartet schon und man teilt uns einem der offenen Wagen zu.
Da es schon am frühen Morgen angenehm warm ist und erst für den Nachmittag ein Gewitter angekündigt ist, freuen wir uns, den frühen Zug nehmen zu können.
Zur Haupturlaubszeit fahren drei Züge am Vormittag. Und alle werden mittlerweile von Dampfloks gezogen. Unsere Lok dampft schon vor sich hin und ein junger Zugbegleiter nimmt sich den wenigen Ausländern an und erzählt ihnen auf englisch die Geschichte der Bahn und den Ablauf des Tages.
Wir fahren 20 km in den Wald, nach eineinhalb Stunden gibt es eine Pause, nach zweieinhalb Stunden gibt es die Mittagspause an einem großen Picknickplatz am Fluss. Ein kleines Museum erzählt die Geschichte der Waldtalbahn. Am Nachtmittag fahren wir zurück und gegen 15 Uhr sind wir wieder am Wohnmobil am Bahnhof.
Aber die allermeisten Mitfahrer interessiert das alles nicht.
Hier geht’s um Dampf und Lok und das Stampfen der Maschine, das monotone Klock-Klock-Klock der Schienen. Und mit „Huhuuuuuu“ geht es durch das enge Tal.
Vorbei an den Häusern und Bauernhöfen, Feldern und kleinen Gemüsegärten, die dreimal am Tag dick mit Ruß eingedampft werden. Seit fast hundert Jahren geht das wohl so und die Menschen sind die Bahn gewohnt.
Die Touristen und Fans sind begeistert. Der weiße Dampf mischt sich mit dem schwarzen Rauch aus der kleinen Lok, die an mancher Steigung mit den vielen Wagen schwer zu kämpfen hat. Manchmal könnte man nebenher gehen.
Vorbei am Fluss und den Holzarbeitern, die wie eh und je die großen Stämme mit viel Mühe von den steilen Hängen ins Tal schaffen.
Manchmal verdunkelt der Rauch der Dampflok das enge Tal und man sieht die Hand vor Augen nicht.
Die Fahrt ist für uns ein echtes Erlebnis, aber auch die echten Dampflokfans, die schon überall in der Welt solche Touren gemacht haben, kommen auf ihr Kosten.
Spätestens am ersten Halt, sind auch die letzten Freaks begeistert.
Die Mechaniker haben nämlich alle Hände voll zu tun, die Lok zum Laufen zu bekommen.
Mit schweren Brecheisen und viel Öl bedienen die Jungs jedes Klischee. Umweltschutz wird hier nicht groß geschrieben.
Die Mittagspause ist perfekt organisiert. In kurzer Zeit wird für einige hundert Mitfahrer das Mittagessen serviert und auch mich als Vegetarier haben sie beglückt.
Natürlich sind auch die Straßenhunde nicht weit.
Wie schon am Startbahnhof werden hier die Straßenhunde mit Häppchen und Brötchen versorgt.
Die vielbeschworenen Hunde, die geschlagen und misshandelt werden, finden wir auch hier nicht. Ganz im Gegenteil: für uns sind die Hunde abhängig vom Menschen, aber frei zu gehen, wohin sie wollen.
Kein schlechtes Leben, wie uns scheint.
Nach und nach trudeln die anderen Züge ein und so können wir auch noch die anderen Loks bewundern.
Dann geht es auch schon für uns zurück.
Witzig, dass Nadja einen der Wagons der Schmalspurbahn, die uns entgegenkommt wieder erkennt: Als Kind ist sie mit diesen Wagen in Wengen in der Schweiz zum Jungfraujoch hinauf gefahren.
Und offenbar sind sie zur Waldtalbahn weiterverkauft worden.
Schön, wenn so die alten Züge erhalten bleiben.
Auch wenn man kein Eisenbahnfreak ist, ist diese Tour wirklich zu empfehlen und ein Erlebnis, dass man nicht so schnell vergisst!
Noch ein paar Hinweise: Am Bahnhof befindet sich ein Stellplatz. Mit Strom und Wasserversorgung!
Auch wenn ihr später am Abend kommt, lässt euch der Nachtwächter auf den Stellplatz. In der Umgebung des Stellplatzes stehen viele alte Loks und Vehikel, die allein schon einen Besuch wert sind.
Uns zieht es weiter.
Durch endlose Wälder geht die Fahrt in Richtung Ukraine. Die Städte sehen trostlos hier aus, erst in den Dörfern finden wir die hier typischen großen Holztore an den Häusern.
Park4night führt uns zu einem genialen Übernachtungsplatz.
Mitten in einem Dorf gibt es – oh Wunder – einen Fußballplatz!
Und dort gibt es sogar ein Vereinshaus. Beides sieht aus, als sei es schon lange nicht benutzt worden, aber die beiden alten Leute in dem nahe gelegenen Garten winken uns fröhlich und wir fühlen uns gut aufgehoben.
Wir sitzen gerade beim Kaffee, als der Bauer um die Ecke biegt.
WOW!
Es ist Heuernte und im Süden braut sich ein Gewitter zusammen. Die Jungs haben wohl mächtig geschuftet, denn der Heuwagen ist übervoll!
Fröhlich grüßen uns die Männer und wir sind wirklich beeindruckt über den Wagen und die Pferde.
Nadja zeigt auf die roten Troddeln, die die Pferde an den Seiten tragen: „Die sind gegen die böse Geister“ – aber abergläubig sind sie hier sicher nicht…..
Wir sitzen hier mitten in einem kleinen Dorf in Rumänien, immer mal wieder läuft jemand vom Feld kommend an uns vorbei, grüßt freundlich und ruft uns etwas zu, aber wir verstehen es nicht.
Aber alle winken freundlich und wir fühlen uns wohl und geborgen.
Hatten wir tatsächlich am Anfang unserer Reise Angst?
WOVOR?
Eine Anekdote will ich noch erzählen.
Wir fahren an einem Haus vorbei. Ich fahre zunächst vorbei, wende dann doch wieder und fahre die zwei Kilometer zurück.
Auf einer Bank sitzen ein Mann und seine Eltern.
Und etwas typisches der Region steht direkt hintendran.
Seht ihr es?
Da hinten.
Steht hier immer mal wieder vor den Häusern.
Das ist ein Brautbaum. So ein Baum aus alten Töpfen steht immer dann vor dem Haus, wenn eine heiratsfähige junge Frau dort wohnt.
Quasi rumänisches Tinder!
Sehr originell und das gibt es wirklich nur in dieser Region.
Ja, so etwas gibt es wirklich!
Im nächsten Teil kommen wir nach Maramures.
Teil 1 : Temeswar
Teil 2 : Die Burg von Eisenmarkt und die mystischen Daker
Teil 3 : In Karlsburg eine orthodoxe Taufe
Teil 4 : Im Freilichtmuseum Rumänien
Teil 5 : Hermannstadt
Teil 6 : Verschneite Pässe und Hobbits
Teil 7 : Lustig ist das Zigeunerleben
Teil 8 : Biertan und Malmkrog, erste Kirchenburgen
Teil 9 : Schäßburg ohne Dracula
Teil 10: Die mutigen Frauen von Deutsch-Weißkirch
Teil 11: BESUCH BEI KÖNIGIN MARIA
Teil 12: SO SCHÖN IST KEIN ANDERES SCHLOSS
Teil 13: AKTIVE VULKANE
Teil 14: ich schick dich in die Walachei!
Teil 15: Prejmer und das Weltkulturerbe
Teil 16: Traumberuf Burghüter
Teil 17: Die Bären sind los
Teil 18: Absturz in der Bicaz Schlucht
Teil 19: Voronet in der Bukowina
Teil 20: Sucovita, Moldovita und die längste Seilbahn Rumäniens
3 Antworten
Schön, ein Abenteuer ganz nach meinem Geschmack, Eisenbahnromantik pur – da wäre ich auch gerne mitgefahren
lg gabi
Schön dass es ihnen Gefallen hat. Leider ist die Hintergrundgeschichte zu dieser Bahn nicht so romantisch. Diese Bahn hat nur dank einem Schweizer Verein überlebt. Das Desinteresse der Lokalregierung war riesengross. Als die Bahn aus dem gröbsten raus war, hat man den Verein ausgebootet und sich die Bahn unter den Nagel gerissen.
https://www.tagesanzeiger.ch/leben/reisen/Endstation-im-Wassertal/story/19945998
Oha, danke Max für die Infos