Rumänien – Die mutigen Frauen von Deutsch-Weißkirch

Die Fahrt über Land nach Schäßburg ist ein Genuss.
Zwar wird der direkte Weg von Schäßburg kommend derzeit neu asphaltiert und wir müssen den Umweg über Rubea fahren, aber nach dem wir auf die gerade neu asphaltierte Seitenstraße abbiegen, kommen wir in eins der schönsten Täler, dass wir bislang in Rumänien gesehen haben.
Kilometerweit Wiesen und Felder, kleine Baumreihen, Bäche.
Unmengen an Wildblumen stehen auf den Wiesen. Es summt und duftet. Wir können uns kaum satt sehen.
Der Himmel schmückt sich mit einigen Schäfchenwolken und da die Straße völlig leer ist, können wir uns Zeit lassen.
Kurz vor Deutsch-Weißkirch / Viscri stehen wir im Matsch, weiter sind die Baumaschinen noch nicht gekommen. Auf dem matschigen Weg fahren wir in das Dorf hinein und vielleicht liegt es an den Bauarbeiten: Wir finden den Parkplatz nicht.

Die Kirchenburg Viscri eingebettet in eine wunderschöne Landschaft


Denn es ist deutlich ausgeschildert, dass man nicht auf der Dorfstraße parken soll. Am Ende tun wir es trotzdem – es ist auch nichts los. Später erfahren wir, dass das nicht immer so ist und Reisebus um Reisebus ansonsten die Straße verstopft. Also wenn ihr nach Deutsch-Weißkirch fahrt, dann fahrt bis zum Ortsausgang (oder wenn die Straße fertig gestellt ist und ihr von der anderen Seite kommt: den Ortseingang), dort findet ihr einen großen Parkplatz, auf dem ihr durchaus auch die Nacht verbringen könnt. Hier ist wohl auch die Einrichtung einer Versorgungsstation geplant.


Von dort gibt es einen Shuttleservice zur Kirchenburg. Und der hat schon etwas besonderes: Einige Bauern fahren die Touristen mit ihren Pferdefuhrwerken vom Parkplatz zur Kirche. Diesen Service solltet ihr unbedingt in Anspruch nehmen !!

Schuttleservice vom Parkplatz zur Burg

Wir erwandern uns von der Dorfstraße die Kirchenburg und bewundern erst einmal das dörfliche, ursprüngliche Leben auf der ‚Hauptstraße‘.
Die Kühe laufen hier frei herum, einige Enten ziehen ihres Weges, die Kinder kommen gerade von der Schule und natürlich sitzt ein Storch auf seinem Nest.
Auch hier sind die Häuser herausgeputzt, ein paar alte Frauen verkaufen Strickwaren am Straßenrand. Zu diesen Frauen und ihrer Geschichte später mehr – das ist wirklich spannend!!!

Die Kirchenburg begrüßt uns dann im besten Licht. Und so, wie wir sie jetzt vor uns sehen, muss sie auch im Mittelalter schon ausgesehen haben. Das ist das geniale an Rumänien: So ursprünglich und natürlich!

Im inneren dann eine alte Kirche, die Einheimischen kämpfen und arbeiten für ihren Erhalt. Die Frau am Eingang kassiert und erzählt uns einiges über die Burg als schon die nächsten Touristen – ohne zu bezahlen – an ihr vorbei drängeln. So gehe das immer, sagt sie. Manche sind nicht bereit, die 3 Euro Eintritt zu bezahlen.


Dabei ist das Geld nötig und wird dringend gebraucht, wie wir kurze Zeit später in der Kirche sehen.
Offenbar ist das Kirchendach undicht und der letzte Regen hat seine Spuren auf dem Boden hinterlassen.

Solltet ihr einmal nach Rumänien kommen, seid großzügig! Nicht immer bekommen die Einheimischen zur Erhaltung ihrer Bauwerke Geld, staatlich oder von einer Stiftung. Oft kämpfen sie mit einfachsten Mitteln, um ihre Kirchen und Burgen zu erhalten.

Kirchenburg Viscri – das Wasser kommt durch die Decke


In Deutsch-Weißkirch gibt es nicht nur die Kirche und den Turm zu besichtigen, hier hat man auch ein kleines Museum in die Zimmer der Wehrmauer integriert. Trachten, Alltagsgegenstände, Werkzeug.
Bilder an den Wänden zeigen, dass vieles davon noch immer Verwendung findet und bei manchem Fest die Tracht auch heute noch getragen wird.

Vom Turm hat man einen tollen Blick auf das Dorf und die umliegenden Hügel. Ein Schäfer mit seiner Herde hat sich gegenüber gerade hingelegt. Die Schäferhunde haben alles im Blick und friedlich liegt die Landschaft unter uns. Eine ganze Zeitlang sitzen wir hier oben im Turm. Alles ist ruhig und friedlich, kein Autolärm, kein Flugzeug. Nach so etwas sehnen wir uns doch eigentlich alle!

Ruhepause für den Schäfer

Auf dem Weg zum Dorf kommen wir am Friedhof vorbei und stehen unvermittelt vor einem Café. Nicht so, wie wir das kennen. Eine Hofreite, ein Bauernhaus mit Scheune und ein Teil ist als Gästeraum hergerichtet und gegenüber befindet sich ein kleiner Verkaufsraum. Nadja ist natürlich sofort bei den Strickwaren und entdeckt dort ein interessantes Buch. Gekauft und versunken. Ich gehe eine Runde mit der Drohne fliegen und als ich wiederkomme strahlt sie förmlich von innen heraus. Und dann liest sie mir aus diesem Büchlein vor.

Von einer Frau, die mit ihrem Mann aus Deutschland nach Rumänien ausgewandert ist. Ohne rumänischen Hintergrund, einfach, weil es hier so schön ist. In Deutsch-Weißkirch finden sie eine neue Heimat und machen sich daran, das Leben der Frauen im Dorf nach und nach zu verbessern und zu strukturieren. Wie kann man etwas aufbauen, Geld verdienen. Sie beschließen zu stricken und die Socken in Deutschland zu verkaufen. Gegen etliche Widerstände wird die spleenige Idee zum Erfolgsmodell. Natürlich gibt es Vorbehalte und Vorurteile der Einheimischen gegenüber den Neuankömmlingen. Aber bis heute zieht sich die Geschichte weiter und die Frauen und Mädchen stricken mittlerweile nicht nur, sie weben und fertigen alles Mögliche und bestreiten so ihren Lebensunterhalt oder peppen das Einkommen der Familie auf. Mehr zum Sockendorf Viscri findet ihr hier.

Wenn ihr ein wirklich gutes Buch lesen wollt, dass auch die Geschichten der Alten in Rumänien erzählt, dann lest dieses Buch:
Ein Dorf wie nirgends anderswo


Und wenn ihr nicht nur gute Socken, Handschuhe, Hüte aus feinster Wolle kaufen, sondern auch etwas Gutes tun wollt, dann kauft hier ein:
VISCRISOCKEN

Ziemlich geerdet kommen wir wieder ans Wohnmobil. Auf der anderen Straßenseite steht ein himmelblaues Haus, das uns gut gefällt. Später erfahren wir, dass es Prince Charles gehören soll, der sich mit seinem Engagement auch hier bemüht, Gutes zu tun.



Wir überlegen zum Parkplatz zu fahren und die Nacht im Dorf zu verbringen, sind aber so blöde und fahren weiter. Noch auf dem Weg zur Burg Bran ärgert mich das maßlos.
Warum treibt es uns ständig weiter. Warum haben wir nicht die Gelegenheit beim Schopf gepackt, sind geblieben und hätten das Dorf noch bei Nacht besucht.


Aber jetzt ist es zu spät. Wir sind schon fast am berühmtesten Schloss in Rumänien.
Wir nehmen uns aber fest vor, das nächste Mal auf unser Herz zu hören und den Verstand auszuschalten, der da immer ruft: ‚Weiter, weiter, da hinten wartet etwas ganz tolles und du verpasst es…‘

Sollten wir jemals wiederkommen, bleiben wir länger! Versprochen!

In Teil 11 erobern wir die berühmte Burg Bran, die nichts mit Dracula zu tun hat, dafür aber mit der Königen Elisabeth

Rumänien-Roadtrip Inhaltsverzeichnis:
Teil 1 : Temeswar
Teil 2 : Die Burg von Eisenmarkt und die mystischen Daker
Teil 3 : In Karlsburg eine orthodoxe Taufe
Teil 4 : Im Freilichtmuseum Rumänien 
Teil 5 : Hermannstadt
Teil 6 : Verschneite Pässe und Hobbits
Teil 7 : Lustig ist das Zigeunerleben
Teil 8 : Biertan und Malmkrog, erste Kirchenburgen
Teil 9 : Schäßburg ohne Dracula
Teil 10: Die mutigen Frauen von Deutsch-Weißkirch
Teil 11: Besuch bei Königin Maria
Teil 12: So schön ist kein anderes Schloss
Teil 13: AKTIVE VULKANE
Teil 14: ich schick dich in die Walachei!
Teil 15: Prejmer und das Weltkulturerbe
Teil 16: Traumberuf Burghüter
Teil 17: Die Bären sind los
Teil 18: Absturz in der Bicaz Schlucht
Teil 19: Voronet in der Bukowina 
Teil 20: Sucovita, Moldovita und die längste Seilbahn Rumäniens
Teil 21: Alt und Neu in Maramures 
Teil 22: Kann ein Friedhof fröhlich sein?
Teil 23: Fakten und Fazit: Lohnt eine Reise nach Rumänien?

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