Mit dem eigenen Tod umgehen, ist so eine Sache.
Zumindest auf diesem Friedhof in Rumänien haben die Leute es geschafft, auch im Tod ihren Humor zu bewahren.
Für uns Außenstehende nicht immer zu verstehen.
Zumindest uns fehlt an dieser Stelle vielleicht einfach der Humor.
Fröhlicher Friedhof in Săpânța
Aber etwas ganz Besonderes und Sehenswertes ist der ‚Lustige oder Fröhliche Friedhof‘ in Săpânța im Kreis Maramures ganz gewiss.
Die Einheimischen sagen, Stan Ioan Pătraș sei ein mäßig erfolgreicher Künstler gewesen, zumindest bis er auf die Idee kam, die Grabstätten auf besondere Art und Weise zu verschönern.
Er begann, die Holzkreuze mit Bildern der Verstorbenen zu schmücken und dazu Gedichte zu reimen, die das Leben und Sterben und manchmal auch ein Highlight im Leben des Verstorben darstellt.
Am Anfang kam das nicht immer gut an, heute ist es ein
Besuchermagnet und die ganze Stadt profitiert von den vielen Touristen, die den kleinen Friedhof jeden Tag fluten.
Heute sind es die Nachfolger Pătraș, die die Tradition weiter führen.
Vor den Toren des Friedhofs befinden sich wie immer die Touri-Marktstände und mit jedem Bus schwappt eine Welle von Menschen auf den Friedhof. Am besten fährt man einfach am Friedhof vorbei und versucht gar nicht erst auf dem bezahlten Parkplatz oder am Straßenrand sein Wohnmobil abzustellen. Einige hundert Meter weiter verirrt sich kein Tourist mehr im Dorf und man hat viel Platz zum Parken. Oder man fährt die Straße weiter zum guten und geselligen Campingplatz Poiena, den wir euch ja gestern vorgestellt haben.
Wir radeln die 2 Kilometer zurück zum Friedhof und haben Glück.
Es sind kaum Touristen auf dem Gelände unterwegs. Die 5 Ron (1 Euro) Eintritt bezahlen wir gerne.
Die Kirche auf dem Friedhof profitiert vom Boom. Das Innere wird gerade ausgemalt und es ist schon spannend, den Malern zuzusehen, wie sie auf ihrem Holzgerüst die Fresken anbringen.
So hat schon Michelangelo die Sixtinische Kapelle ausgemalt.
Erst wird die Struktur von einem großen Papier auf die Decke übertragen und dann über dem Kopf im Liegen ausgemalt. Um die Wirkung und die Dimension zu überprüfen, müssen die Maler immer wieder herabsteigen.
Kaum ein Tourist schaut sich die Arbeiten im Kircheninneren an. Höchstens wagen sie einen kurzen Blick. Alle haben nur Augen für den Friedhof.
Och, noch nicht fertig und – schwups – sind sie wieder draußen.
Immer wieder erstaunlich, wie wenig die Menschen sich für die eigentlichen Künstler interessieren. Später werden die Männer gepriesen, wenn man die Arbeit überhaupt würdigt, heute sind sie nur Handwerker, denen man kaum einen Blick gönnt. Verrückte Welt.
Zurück auf dem Friedhof, zücken wir die Infos, die uns Anca von Burgreise.eu mitgegeben hat.
Übersetzungen der rumänischen Schnitzereien.
Eine Rumänin liest die Texte auf einem Grabstein vor. Sie können die Texte verstehen. Wir brauchen eine Übersetzung und können daher nur wenige Grabinschriften verstehen.
Aber manche Bilder erinnern an Comics. Auf der Vorderseite der Mensch und was er so tut und auf der Rückseite der Grund seines Todes.
Bei manchen Kreuzen können wir nur rätseln, bei anderen ist es eindeutig.
Makaber?
Sicher nicht.
Eher erbaulich.
Mahnung und Warnung. Oder aber auch Mitgefühl und echte Trauer.
Wer kennt nicht die Geschichten, wenn jemand heruntergekommen ist, dann stirbt und sich erst danach klärt, warum es ihm so schlecht ging. Dann sagt man sich oft: ach, hätte ich nur geholfen oder ihn mal angesprochen. So ist es auch hier.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass so mancher, der hier liegt, erst nach seinem Tode durch sein Grabkreuz die Würdigung erhielt, die er im Leben vermissen musste.
So gibt es den Soldaten, der gar nicht in den Krieg ziehen wollte.
Die Frau und Kinder blieben zurück und hatten es sicher nicht einfach.
Stan Mihai Patras hieß ich, wo ich noch lebte,
und erzähle euch nun meine Geschichte:
Im Jahre Vierzehn, da begann der Krieg,
so verließ ich Haus und drei Kinder und zog dahin.
Ion, Toader und die Ileana ließ ich zurück,
meine schwer kranke Frau und zog in den Krieg.
An die Front ging ich und ließ sie im Stich.
Feinde fanden sich, die zielten auf mich.
Gestorben bin ich im italienischen Lande.
Dort wurde ich begraben unter eine Tanne.
Bis 1915 führte mein Lebensweg – mit 28 war ich schon weg!
Oder das Mädchen, das sich bei seiner Schwester entschuldigt, aber im Leben wohl keine Wahl hatte. Oder wie interpretiert ihr das Bild?
Zu wenig Kindheit stand mir geschrieben,
zu wenig Kindheit hat mir das Schicksal geschenkt.
Die Eltern hab ich dadurch gekränkt
Meine Schwester verlassen, musste ich tun,
und ging darum.
Liebe Schwester, solange du lebest,
mein Grab, von Unkraut, du jätest.
Setz Blumen für mich,
vergiss meiner nicht,
solange du am Leben bist.
Ich war deine gute Schwester,
die konnte nicht bleiben bei dir.
Was soll aus mir werden?
Ihr sehnt euch jetzt nach mir,
ich musste sterben
Da sind Ärzte und reiche Bauern. Wäscherinnen und Waldarbeiter.
Junge Männer und die Alten.
Autofahrer und wir fragen uns nicht, wie sie gestorben sein könnten. Wie hat Dan in Honigberg es gesagt: ‚In Rumänien gibt es eine natürliche Selektion bei den Autofahrern‘….
Das Ergebnis lässt sich auch auf dem fröhlichen Friedhof sehen.
Und da ist der junge Mann, der wohl ertrunken ist.
Eins muss man dem Erfinder dieses Friedhofes lassen: Stan Ioan Pătraș hat erkannt, wie spannend ein Friedhof sein kann. Das auch nach dem Tod die Verstorbenen eine Geschichte erzählen können.
Ganz jenseits von ‚Name: Geboren: Gestorben‚ – wie es in Deutschland üblich ist.
Und mit diesem Gedanken bekommt der Friedhof tatsächlich etwas Fröhliches.
Nicht das Sterben wird hier bestaunt, sondern das Leben der Verstorbenen gewürdigt.
Nicht immer ganz ernst und sicher auch nicht immer vollständig. Aber jedes Kreuz erzählt eine Geschichte.
Und so ist es unwürdig, auf den Friedhof zu rennen, drei Fotos zu machen und schnell mit dem Bus weiter rasen.
Wir lassen uns Zeit und suchen ganz gezielt nach Geschichten, die wir entweder durch unseren Text zuordnen können oder deren Bilder uns eindeutig erscheinen. Und davon gibt es viele.
Wieder einmal richtig geerdet fahren wir mit dem Wohnmobil weiter.
Das war unsere letzte Sehenswürdigkeit.
Eigentlich könnten jetzt noch ein sehenswertes Dorf und eine größere Stadt folgen, aber wir entscheiden uns dagegen und nehmen lieber den Weg in Richtung Ungarn auf einer der kleinen Straßen.
Noch einmal geht es durch kleine Dörfer, weite Felder, grüne Hügel.
Vorbei an schuftenden Bauern, die das Heu einfahren.
Vorbei an Straßenhunden, die faul in der Sonne am Parkplatz liegen.
Vorbei an alten Menschen, die vor ihrem Haus auf der Bank sitzen und uns zuwinken.
Vorbei an Protzbauten, gebaut von Männern, die irgendwo in Europa schuften. Die Frauen und Kinder bleiben alleine zurück in einem viel zu großen Haus.
Vorbei an kleinen Gemüsegärten und Menschen, die von den großen Häusern träumen, nicht ahnend, was sie damit verlieren können.
Wir unterhalten uns viel in diesen Stunden über den Wohlstand. Und ob es uns wirklich besser geht. Oder ob vielleicht der bäuerliche Charakter Siebenbürgens ein viel schöneres Leben sein könnte. Mit all seiner harten Arbeit und dem Gefühl, woanders sei es besser.
Natürlich können wir nicht loslassen und bestimmt verklären wir auch viel.
Und doch haben wir viel in den letzten Tagen in Rumänien gesehen, dass uns extrem gut gefallen hat.
Nicht nur die Natur und die Landschaft, die Sehenswürdigkeiten und Altertümer.
Begeistert sind wir von den Menschen.
Den Alten, die ihr Leben so leben, wie sie es immer gemacht haben und den Jungen, die geblieben sind, um für ein besseres Rumänien zu kämpfen.
Gegen die Korruption, gegen Kriminalität und für ein gutes Leben.
Wir haben, ohne dass es jemand ausgesprochen hat, erlebt, dass es ethnische Unterschiede gibt, die kaum zu überwinden scheinen, bei denen man sich aber arrangiert. Ein Pulverfass ohne Lunte.
Rumänien ist für uns eines der schönsten Länder geworden, die wir je besucht haben!
Völlig unverständlich, warum hier so wenige Wohnmobile unterwegs sind.
Oder soll ich sagen: Gott-sei-Dank!
Denn egal, wo wir hin kamen, waren wir gern gesehen und konnten stehen, wo immer wir wollten.
Zum Thema Sicherheit:
Wir standen meistens frei.
Nicht einmal hatten wir dabei ein ungutes Gefühl – ok, der Besoffene in Braşov, der sich nachts an unserem Wohnmobil abstützen musste, erschreckte uns. Aber das war es dann auch schon.
Die Straßenhunde haben uns oft bewacht und aufmerksam gemacht, wenn etwas oder jemand in der Nähe war.
Ich könnte jetzt von Situationen in Frankreich, Italien, Schweden oder Deutschland erzählen, bei denen wir uns unwohler gefühlt hatten. Aber ich denke, ihr wisst schon: böse Buben gibt es überall und das hat nichts mit der Gesamtbevölkerung oder einem Land zu tun.
Dementsprechend können wir nur bestätigen:
Reisen ist Gift für Vorurteile!
Wir haben nur nette, zuvorkommende, aufgeschlossene, neugierige Menschen getroffen und erlebt.
Jetzt tut mir bitte einen Gefallen und erzählt das bloß nicht weiter!
Ansonsten kommen wir vielleicht in fünf Jahren nach Rumänien und es hat sich zum Traumland für Wohnmobile entwickelt und wir finden gar keinen Platz mehr.
Rumänien ist ein Geheimtipp und wird es leider noch lange bleiben. Fahrt hin. Heute noch. Und seht, was wir gesehen haben. Erlebt das Wohnmobil Utopia und die Lebensfreude der Menschen.
Erkennt, dass ein Pferdefuhrwerk nicht Armut bedeutet, sondern vernünftiges Leben mit der Natur.
Schaut und staunt und überlegt, ob wir bei all unserem angeblichen Wohlstand nicht viel verloren haben.
Und hofft mit uns, dass es den Rumänen gelingt, das Beste aus beiden Welten zu bewahren und nicht – wie viele andere Länder – dem Westen nacheifern und damit ihre Identität, ihre Bauweise, ihre Lebensweise verlieren.
Rumänien – wir kommen wieder!
Unendlich Danke sagen möchte ich unserer Anca Stanciu, die uns Mut gemacht hat und uns immer zur Seite stand. Ohne dich hätten wir dein Rumänien nicht so erlebt!
Im letzten Teil gibt es alle Fakten und unser Fazit: RUMÄNIEN
Teil 1 : Temeswar
Teil 2 : Die Burg von Eisenmarkt und die mystischen Daker
Teil 3 : In Karlsburg eine orthodoxe Taufe
Teil 4 : Im Freilichtmuseum Rumänien
Teil 5 : Hermannstadt
Teil 6 : Verschneite Pässe und Hobbits
Teil 7 : Lustig ist das Zigeunerleben
Teil 8 : Biertan und Malmkrog, erste Kirchenburgen
Teil 9 : Schäßburg ohne Dracula
Teil 10: Die mutigen Frauen von Deutsch-Weißkirch
Teil 11: BESUCH BEI KÖNIGIN MARIA
Teil 12: SO SCHÖN IST KEIN ANDERES SCHLOSS
Teil 13: AKTIVE VULKANE
Teil 14: ich schick dich in die Walachei!
Teil 15: Prejmer und das Weltkulturerbe
Teil 16: Traumberuf Burghüter
Teil 17: Die Bären sind los
Teil 18: Absturz in der Bicaz Schlucht
Teil 19: Voronet in der Bukowina
Teil 20: Sucovita, Moldovita und die längste Seilbahn Rumäniens
Teil 21: Alt und Neu in Maramures
Teil 22: Kann ein Friedhof fröhlich sein?
Teil 23: Fakten und Fazit: Lohnt eine Reise nach Rumänien?
8 Antworten
Für uns ungewöhnlich, finde ich es doch irgendwie ein schöne Art sich mit den Toten auseinander zu setzten.
lg gabi
Moin, bin über das Airhead Video auf euch gekommen (meine wartet auf den Einbau…) und stelle nun fest, dass eure Rumänienreise fast meiner geplanten Tour für September gleicht. Ich fahre noch Stellen im Süden an und die Transalpina und Transfogarasan. Jetzt kann ich aus euren tollen Berichten auch noch Anregungen übernehmen. Vielen Dank!
Dann viel Spaß beim lesen und planen und dann natürlich auf der Reise.
Die Pässe waren ja leider geschlossen und Siebenbürgen hat soviel zu bieten, dass wir weiter in den Süden ein anderes Mal fahren werden.
Beides zusammen geht nicht. Zumindest nicht in vier Wochen.
Gute Reise!
Da wir uns jetzt auch um die Grabreinigung eines geliebten Menschen kümmern müssen, sehe ich mir gerne an, wie es auf anderen Friedhöfen aussieht. Interessant ist ja, dass kaum ein Tourist sich die Arbeiten im Kircheninneren anschaut. Allerdings ist der Friedhof natürlich was besonderes.
Gut zu wissen, dass der Eintritt zum „Fröhlichen Friedhof“ nur 1 Euro kostet. Mein Onkel besucht gerne die örtlichen Friedhöfe während seiner Reisen. Er ist ein besonderer Fan von Grabsteinen. Wenn er auch nur einen besonderen Grabstein auf dem „Fröhlichen Friedhof“ finden würde, würde sich der Eintritt total gelohnt haben.
Teil 23: Fakten und Fazit: Lohnt eine Reise nach Rumänien?
Kann es sein das dieser Teil bis heute fehlt?
Hallo liebe Rumänienfreunde, heute erst habe ich Eure Webseite über Rumänien und den „Heiteren Friedhof“ gelesen. Das hat mich tief bewegt. Wir waren das erste mal 1984 in Rumänien, also noch zu einer Zeit, die für Touristen alles andere als angenehm war. Dabei möchte ich garnicht weiter auf die Probleme der damaligen Zeit eingehen. Bis 1989 waren wir trotzdem jedes Jahr in Rumänien. Wir haben sehr viele Menschen und Familien kennen gelernt, mit den wir heute teilweise noch Kontakt haben. Viele Freunde und sehr angenehme Stunden und Tage habe wir mit dem Bergrettungsdienst Salvamont im Fagaraschgebirge verbracht. Mittlerweile ist nach einer größeren Unterbrechung – wir hatten ja nun die Gelegenheit (1989) erst einmal die andere Seite der Welt kennen zu lernen – sind wir wieder ein ständiger Tourist in Rumänien. Wir sind nun schon 24 mal in diesem schönen Land gewesen und ich kann Ihnen nur zustimmen, es ist das schönste Land. Jedes Jahr – das ist eine Empfehlung – besuche ich das Folklorefestival „Sàmbra Oilor“ in Huta Certeze. Es findet im am 1. Sonntag nach dem orthodoxen Osterfest statt. Eure Empfindungen über das Land und die Menschen, über unsere überdimensionierte Welt ist beeindruckend. Man muß sich da wirklich die Frage stellen, leben wir in unseren hektischen Welt besser oder lieber doch in der beschaulichen Atmosphäre der Maramures, wo es scheint die Zeit ist stehen geblieben.
Lothar,
du sprichts mir aus der Seele und ich freue mich auf nächstes Jahr, wenn wir wieder nach Rumänien fahren wollen!