Rumänien Roadtrip mit dem Wohnmobil – Angst vor der eigenen Courage

Eine gehöriges Gefühl Ungewissheit, ja sogar Angst fährt mit.

Genauso müssen sich damals die Menschen gefühlt haben, als sie durch die Wälder ins Ungewisse losgeschickt wurden.
Trans Silvanien.
Durch die Wälder.
(Trans = über/durch, Silva = Wald)
Wir sind unterwegs nach Rumänien und auf der Autobahn durch Ungarn frage ich mich immer wieder: Warum tust du dir das eigentlich an?
Jeder! Wirklich JEDER (!) denen Nadja und ich in den letzten Wochen erzählten, dass wir in diesem Jahr nach Rumänien in den Urlaub wollen, stellte zwei Fragen:

1) Gibt’s da überhaupt irgendetwas Interessantes zu sehen?

2) Wollt ihr ohne Wohnmobil wieder heimfahren?

Reiseroute-01-Rumänien
Alles Verbrecher, sagen sie am Stammtisch!

Natürlich haben wir geantwortet, wie es auch rumänische
Bekannte getan haben: „Die Bösewichter sind doch alle schon in Deutschland“,
aber im Laufe der Zeit haben uns all die kritischen Kommentare zunehmend
verunsichert. Und natürlich kannte jemand, jemanden, dem irgendetwas passiert
ist, oder in der Zeitung steht, dass…

Einfach nach Italien oder Frankreich oder Skandinavien. Sich auf die faule Haut legen. Wir hatten die vergangenen Wochen genug um die Ohren.

Warum jetzt ins Abenteuer fahren?

Aber nun sind wir schon so weit von Frankfurt über Nürnberg, Wien nach Budapest
gefahren, noch ein paar hundert Kilometer und wir sind „Transsilvanien“ – durch
die Wälder in Rumänien.

Rumänien Roatrip - klick zur Route mit allen Stellplätzen

Vor Jahrhunderten wurden deutsche Siedler aus der Gegend um Luxembourg, vom Mittelrhein und Mosel und aus Schwaben angeworben und nach Rumänien geschickt.
Diese ‚Sachsen‘ und Schwaben bildeten den Rückhalt für die Burgen und Soldaten, die die Karpaten gegen Reitervölker und Osmanen sicherten. Die Siedler und gründeten viele Städte, ausgestattet mit Sonderrechten wurden die ‚Sieben Burgen‘ ein Garant für Aufschwung und Sicherheit im Land. Jahrhundertelang sicherte Rumäniens „Siebenbürgen“ Europa erfolgreich nach Osten ab.
Und diese ersten Siedlertrupps mussten „Trans Silvanien“ in ihre neue Heimat. Genau wie wir heute.

Die ruhige, weite Landschaft Ungarns lässt uns überlegen, einfach zum Plattensee abzubiegen.
Aber über Rumänien haben wir in den letzten Wochen so viel gelesen, dass wir das Land und die Menschen jetzt endlich selbst kennen lernen wollen.
Siebenbürgen, Kirchenburgen, die Karpaten. Bären, Klöster und Burgen.
Wie fühlt sich das Wetter in Rumänien an? Wie sind die Einheimischen? Freundlich? Abweisend?
Kommen wir überhaupt ohne Rumänisch in Kontakt mit ihnen?

So kommen wir nach zwei Tagen fast durchgängiger Fahrt im Wohnmobil in Timişoara  an.
Erstmals an der Grenze zu Ungarn haben wir seit vielen Jahren wieder echte Grenzkontrollen erlebt.
All ihr, die ihr gegen Europa seid: Wisst ihr eigentlich, welche grandiose Errungenschaft dieses Europa eigentlich ist? Einfach so von Land zu Land fahren? Und dann der Euro: Nicht immer umrechnen zu müssen oder Geld zu wechseln?
Hier am Rande Europas ist das noch anders und wir stehen einige Zeit in der Kolonne vor dem Zollhäuschen und sehen einige Autos, die durchsucht werden und Pässe, die länger argwöhnisch überprüft werden. Irgendwann ist es geschafft und die ersten Kilometer auf rumänischen Boden liegen hinter uns.
Die Landschaft erstaunt uns: kilometerlange Felder auf einer gigantischen Ebene. Erst weit voraus tauchen langsam Hügel auf, die später zu stattlichen Bergen werden.
Die Autobahn ist perfekt ausgebaut, aalglatt und keines der daheim vielbeschworenen Schlaglöcher stört die Fahrt.
Vor Timişoara  wollen wir es dann wissen und nehmen eine Abkürzung, um schon mal auch kleinere Orte gesehen zu haben.
Ein Fehler: Denn schon die erste Straße zeigt uns, dass es die Schlaglöcher wirklich gibt. Die letzten 10 Kilometer geht es deswegen mit maximal 40 km/h weiter und meine Konzentration als Fahrer wird massiv gefordert. Vielleicht wären wir doch besser über die Autobahn weiter gefahren.

Irgendwann stehen wir am Zoo von Timişoara . Hier weist unsere Park4Night App einen guten Übernachtungsplatz aus. Von hier aus lässt sich die Innenstadt per Bus erreichen oder wie wir es geplant haben, per eBike.

 

 

Timişoara . Temeswar. Temeschburg.

 

 

Die meisten Orte haben hier drei Namen: den rumänischen, einen Deutschen und einen Ungarischen. Die rumänische Geschichte ist lang und das Land hatte viele Herrscher. Der letzte Despot Ceausescu hat das Land extrem ausgebeutet und ausbluten lassen: Alles wurde verkauft, sogar das Ausreisen der deutschstämmigen Bevölkerung hat er sich von der Bundesrepublik bezahlen lassen. Und auch nach dem Sturz des Regimes verlassen bis heute viele junge und perfekt ausgebildete Rumänen in Scharen das Land, um in Europa ihr Glück zu suchen. 
So aber fehlen dem Land immer wieder die Menschen, um die Altsschäden zu beseitigen und das Land weiter voran zu bringen.

Aber es gelingt. Langsam, aber unaufhaltsam.
Und das können wir in Timişoara  zum ersten Mal erleben und bewundern.

 

 

Die Stadt befindet sich im Umbruch. Neu restaurierte Gebäude stehen neben Altsubstanz. Und jeder Laie kann erkennen, welches gigantische Potential die Stadt noch hat. 2021 wird Timişoara  die Kulturhauptstadt Europas sein. Und schon heute zeigt die Stadt sich dafür gerüstet. Noch ist nicht alles fertig. Überall wird saniert und aufgehübscht. Im Sommer findet ein Kulturfestival statt und schon jetzt ist die Stadt voll von Künstlern und Kunstwerken.

Neu und Alt in Temeswar

Wir fahren mit dem Rad vom Zoo in die Stadt. Einen Radweg finden wir nicht, aber über Nebenstraßen kommt man gut voran, ohne mit den stinkenden Autokolonnen auf der Hauptstraße fahren zu müssen. Auf dem Rückweg entdecken wir einen schöneren Weg am Fluss entlang. Manchmal ist der längere Weg der attraktivere. Das Radfahren ist in Rumänien nicht weit entwickelt.
Unser Ziel ist der Piata Unirii Platz mit der Dreifaltigkeitsäule und seinen Kirchen und Herrenhäusern.

Piata Unirii Platz

Hier zeigt sich uns das erste Mal das Moderne Rumänien. Durch Österreich/Ungarn geprägt – liebevoll erhalten. Alte, wirklich sehenswerte Häuser, ganze Paläste, Kirchen und Prachtbauten.
Wir fühlen uns sofort wohl.
Die Innenstadt ist noch nicht zur Einkaufsmeile mit Handyläden und Fastfootketten verkommen. Hier gibt es noch Kaffees und kleine Geschäfte. Nicht für Touristen. Hier kaufen noch die ganz normalen Einwohner ein. Und jeder neue Platz erzählt eine neue Geschichte.

Die Orthodoxe Kirche am Rande des Parks zieht uns als nächstes an. Und manchmal hat man einfach Glück. Nicht nur, dass unsere erste orthodoxe Kirche wunderschön ist, nein, eine Hochzeit geht gerade zu Ende und wir erleben, wie man so eine Feier hier im Sinne des Wortes zelebriert! Da wird nichts dem Zufall überlassen. Auch der Auszug des Paares und der Gäste aus der Kirche wird gefeiert.

Schon nach wenigen Stunden sind wir tief beeindruckt von dieser aufstrebenden Stadt im Westen Rumäniens und dank der eBikes fahren wir etliche Kilometer durch die Stadt. Am Fluss entlang finden wir viele Ausflugslokale, Spielplätze, Party Locations.  Hier findet am  Abend und an den Wochenenden das städtische Leben statt. Alles großzügig und liebevoll gestaltet.
In einem kleinen Kaffee direkt am Fluss finden wir Ruhe und schauen den Schiffen zu.

Erst spät am Abend kommen wir wieder am Wohnmobil an.
Friedlich steht unser Womo immer noch am Zoo – keiner hat sich daran zu schaffen gemacht und als wir unsere Stühle auf die Grünfläche davor aufstellen und ein Bier trinken, gesellt sich ein junger Rumäne zu uns, der perfekt Englisch spricht. Neugierig fragt er, wo wir herkommen. Er selbst arbeitet in der IT in einem Weltunternehmen, dass in Timişoara  seine Niederlassung hat. Und er freut sich über die Touristen, die seine Stadt besuchen und will einfach wissen, wie es bei uns Zuhause so ist und wie es uns in Rumänien gefällt.
So kommen wir ins Gespräch und freuen uns über die vielen Tipps und Empfehlungen, die er für uns hat. Und auch er gibt uns das Gefühl. Wir sind willkommen. Ganz ohne Hintergedanken und Vorbehalte! In seinem Rumänien ist es genauso sicher, wie in allen anderen Ländern.

All die Vorurteile kommen uns in den Sinn und Nadja und ich diskutieren noch lange an diesem Abend über unsere Ängste.
Los sind wir sie nicht, aber der erste Eindruck, den Rumänien uns in Timişoara  vermittelt ist überaus positiv.
Wir sind dankbar den Mut gefunden zu haben und los gefahren zu sein.
Transilvanien
Durch die Wälder – nach Rumänien

Teil 2 führt uns zu den Dakern – Dacia ist das rumänische Wort dafür

Picture of Jürgen Rode

Jürgen Rode

schreibt seit 2012 für Womo.blog und hat das Camping-Gen quasi mit der Muttermilch bekommen.
Im Wohnwagen seit 1968, später mit dem eigenen Zelt, im Auto durch Norwegen mit viel Regen, musste anschließend ein Kastenwagen her, der 1990 selbst ausgebaut wurde, mit den Kindern kam der Wohnwagen und als die fast aus dem Haus waren, 2012 die erste Weißware.

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5 Antworten

  1. Da ist man schon gespannt auf die Fortsetzung. Nach den Bildern dem erlebten in Worten zu folgen, ist einfach spannend.
    Ja, bei so einer Planung kämpft man schon mit Vorurteilen. Wer möchte denn immer faul ausspannen, – Touring, finden, erleben, dass macht dieses Hobby aus. Von dieser Wohnmobiltour zehrt man Jahre. Klasse, da möchte ich hin, am besten mal ohne Buchprojekt im Hintergrund, einfach genießen und entdecken! Es gibt so viel unbekanntes und schönes Europa.

    1. Ja, Torsten – da solltet ihr mal hin.
      Am besten, wenn du zur Ruhe kommst 🙂
      Ich befürchte aber bei deinem Pensum, dass das nie passieren wird.
      Nein, im Ernst: Losfahren und du kommst ganz automatisch zur Ruhe. Denn vieles ist hier einfach noch entschleunigt und entspannter. Die Rumänen leben oft vernünftiger wie wir und doch denken wir, sie seien arm. Doch die zu bedauernden sind eigentlich wir! Und leider exportieren wir unsere Lebensweise zunehmend dorthin. Man kann nur hoffen, dass sie das Gute nutzen und das viele Üble erkennen und verbannen. Aber dazu in einem anderen Blogbeitrag mehr…

  2. Eine Ex Freundin von mir ist in Sanikolau Mare geboren. Dieses kleine Ortschen ist ca. 60 Km von Timişoara entfernt. Wir waren dort damals ein paar mal Urlaub machen. Dieses ist aber schon ca. 17 Jahre her. Die Menschen dort waren fast immer sehr freundlich. In den Straßen gab es damals sehr viele Straßenhunde die bei den Restaurants nach Essen gebettelt haben, wenn man es sich draußen gemütlich gemacht hat. Aggressiv sind sie aber nie geworden. Der Urlaub war damals sehr billig, wir waren zu viert essen in einem kleinen Restaurant das Essen war super und sehr reichhaltig. Umgerechnet haben wir ca. 23 Euro bezahlt und das für 4 Essen mit je einem Getränk je Person. Im Supermarkt waren die Preise genau so billig, einzige Ausnahme waren Produkte aus Deutschland. Eine Tafel Milka Schokolade war dort doppelt so teuer als bei uns Daheim. Einziges Manko war der Straßenverkehr. Es gibt dort zwar Zebrastreifen und auch die Regelung rechts vor links, aber keiner hält sich daran zumindest war das vor 17 Jahren so. In Timişoara hat im Straßenverkehr der gewonnen der sich durchsetzen kann. In der großen Stadt wurde ich fast von einem Taxi am Zebrastreifen angefahren. Die Hauptstraßen waren sehr gut aufgebaut, allerdings waren die Nebenstraßen eher ein nicht geterter Feldweg mit Schlaglöchern größer als ein Autoreifen.

  3. Auch wir, meine Frau und ich waren von Rumänien begeistert. Es war vor 5 Jahren eine Spiegel-Leserreise, welche von Marco Polo organisiert wurde.
    Ein wunderschönes Land.
    Am meisten hat mich als Techniker fasziniert, daß in den Dörfern neben den Telefondrähten auf der Holzstange (ich kann mich daran erinnern, daß das vor 50 und mehr Jahren auch hier in Deutschland und zum Teil heute noch in Bayern so war bzw. Ist). Aber das große Erstaunen war, daß an den Holzmasten dicke Kabel befestigt waren. Auf Nachfrage erklärte man mir, daß dies Internetkabel waren, die jedes Dorf mit highspeed Internet versorgten. Da kam ich aus dem Staunen nicht heraus.

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